Es kam nicht, wie es kommen musste oder eigentlich immer kommt, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich der DHB dazu entschlossen auch in Zukunft weiter auf Christian Prokop als Bundestrainer zu setzen. Es ist ein klares Zeichen des Verbandes, nachdem der Druck auf ihn nach einigen schwachen Auftritten und dem neunten Platz bei der Europameisterschaft in Kroatien von Tag zu Tag gestiegen war.
Dieser Druck wird fortan
nicht geringer werden. Mit Argusaugen werden seine zahlreichen Kritiker in den
kommenden Wochen und Monaten darauf schauen, wie er sich vor allem gegenüber
seiner Mannschaft, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit verhalten wird. Jeder
Fehler wird analysiert werden und darauf muss sich Prokop einstellen. Die
Lockerheit, die er noch an den Tag legte, als er in Leipzig Clubtrainer war,
würde ihm dabei sehr gut zu Gesicht stehen.
Wichtig für ihn wird
außerdem sein, dass er die Skeptiker auf seine Seite zieht. Damit sind nicht
die Medien und Fans gemeint, sondern die Spieler. Es darf sich keinesfalls
wiederholen, dass die Akteure seine taktischen Anweisungen ignorieren, wie in
Kroatien mehrfach geschehen. Die hatten nämlich Hand und Fuß, auch wenn
man die fragenden Blicke der Spieler teilweise anders hätte interpretieren
können.
Selbst wenn Torhüter
Silvio Heinevetter ihm in einem Fernsehinterview
unmissverständlich zu verstehen gab, dass weniger manchmal mehr sei, kann man
von den Spielern erwarten, dass sie dem Konzept des Trainers offener
gegenüberstehen. Prokop hat sich bei seinen Ideen etwas gedacht und die
Spielzüge und das Abwehrverhalten nicht kurz vorher auf dem Basar eingekauft. Ganz im Gegenteil, mehr Akribie ist kaum möglich.
Dennoch wird er sich höchstwahrscheinlich in Teilen davon verabschieden müssen. Insbesondere in der Defensive sind die Aufgaben in seinem System enorm komplex, dafür fehlt ihm als Trainer einer Nationalmannschaft aber die tägliche Arbeit mit den Spielern. Bei seinem Ex-Club in Leipzig konnte er sich so auch das so wichtige Vertrauen der Akteure durch seinen Fleiß und seine Akribie erarbeiten, was beim DHB-Team so schwierig ist.
Diese Stärken muss er aber trotzdem weiter mit einbringen dürfen. Hier sind wieder die Aktiven auf der Platte gefragt, denn es ist nicht abzustreiten, dass die desaströsen zehn Minuten im letzten Hauptrundenspiel der Europameisterschaft gegen Spanien nicht auf Prokops Mist gewachsen sind. Ob Fehlpässe, Fangfehler oder Stürmerfouls, sie wurden allesamt nicht vom Trainer begangen, sondern von den Spielern.
Prokop seinerseits muss
sich ein wenig mehr öffnen, mehr eingehen auf die Aussagen der Spieler, ohne
direkt jedem Wunsch nachzugeben. Es hätte ihm massiv geholfen, wenn er vor dem
Turnier den zahlreichen Ratschlägen gefolgt wäre und Finn Lemke direkt in den
Kader berufen hätte. Denn es wäre durchaus möglich gewesen, sowohl den
Melsunger als auch Bastian Roscheck mitzunehmen, um dafür auf den überforderten
Maximilian Janke zu verzichten.
Die Mannschaft ihrerseits
muss nun zeigen, dass 2016 keine Eintagsfliege war. Beim Aus im WM-Achtelfinale
2017 saß Prokop nämlich nicht auf der Bank. Und von der Zeit vor 2015 wollen
wir gar nicht erst sprechen. Der EM-Titel und Olympia-Bronze waren die
Ausnahme, die man angesichts der dichten Weltspitze nicht als gegeben
voraussetzen darf. Eine zweite Chance steht Prokop also zu, aber es ist mit
Sicherheit auch seine letzte.